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Straßenbahn Berlin

Die Elektrische Straßenbahn in Berlin nach 1990

Mit dem Fall der Berliner Mauer, dem eine friedliche Revolution in der DDR vorausgegangen war, stellte sich die Verkehrsaufgabe völlig neu. Die Verkehrswege wurden neu geordnet. Schnell wurden Überlegungen laut, zur Behebung von vermuteten Verkehrsproblemen die an den Sektorengrenzen endenden Linien der BVB nach Westberlin zu verlängern. Horrorszenarien von Verkehrszusammenbrüchen wurden noch im Herbst 1989 vorhergesagt, mangels Erfahrung wollte dem auch niemand widersprechen. Ganz so dramatisch hat sich der Verkehr nicht dargestellt, irgendwie fand alles seinen Weg. Im Bereich Autobus, Untergrundbahn sowie S-Bahn wurden schnell und unkompliziert zusammengearbeitet, etwa Wagenmaterial ausgetauscht, grenzüberschreitende Bus- und Regionalbahnlinien eingerichtet oder bereits 36 Stunden nach dem Fall der Mauer der erste Transit U-Bahnhof auf der Linie D (Jannowitzbrücke) seit 1961 wieder geöffnet. Im Bereich der Straßenbahn gab es diese Annäherung mangels fehlender Betriebsabteilung bei der BVG-West nicht. Hier wurden Straßenbahnlinien, die zu den Grenzübergangsstellen (Güst) führten im Verkehr verstärkt (Beispiel Übergang Bornholmer Straße, Bernauer Straße). Linien die bisher seit 1961 zum “Ende der Stadt” führten und eher eine geringe Verkehrsbedeutung hatten wuchsen in ihrer Bedeutung an.

Die Verkehrsbetriebe BVG, BVB, Reichsbahn sowie die Verkehrskombinate der umliegenden Städte und Gemeinden vereinbarten noch im Winter 1990 einen einheitlichen Tarif, und Anerkennung der Zeitkarten (Abmachung ab Februar 1990 gültig).

Mit den freien Wahlen im Frühjahr 1990 in der DDR war der Weg zur Wiedervereinigung Deutschlands gelegt, welche zum 3. Oktober 1990 auch vollzogen wurde. Damit stellte sich nun wieder eine Stadtregierung und eine Verkehrspolitik. Im Gegensatz zum Jahr 1949, (eine BVG und zwei Stadtregierungen) gab es nun 2 “BVG´en” und eine Stadtregierung. Die BVB verlor ihren Anspruch auf den volkseigenen Betrieb und wurde zunächst wie die BVG-West ein stadteigener Betrieb. Die Vereinigung der beiden städtischen Verkehrsbetriebe wieder zu einer BVG war keine Frage oder Diskussion, es stellte sich nur die Frage nach dem Zeitplan. Ein Überblick über die doppelte Betriebsstruktur einher mit der Notwendigkeit einzelner Einrichtungen für einen modernen Betrieb gingen einher mit  Fragen zur Personalstärke. Die Fusion sollte nicht überstürzt, sondern  geordnet die Abteilungen und Dienststellen zusammenführen. Einzelne Betriebsteile aus dem einstigen volkseigenen Kombinat mussten auch ausgegliedert werden (Schifffahrt, Taxi). Auch die Anpassung von Dienstvorschriften an die neuen Gesetzgrundlagen (Verkehrsrecht, Arbeitsrecht, Arbeitsschutz) und Vereinheitlichung in beiden Betrieben bedurfte einer ordentlichen Vorbereitung und einzelnen technischen Umbauten (im Bereich U-Bahn). Am 1. Januar 1992 war diese Arbeit getan, beide Verkehrsbetriebe fusionierten wieder zu einer BVG (Berliner Verkehrsbetriebe, Eigenbetrieb der Stadt Berlin).

Am 1. Mai 1991 ging die letzte Straßenbahn Neubaustrecke bei der BVB in Betrieb: vom Betriebshof Marzahn nach Hellersdorf, Risaer Straße. Die noch zur Zeit der DDR bestellten Tatra-Straßenbahnen wurden im Sommer 1991 ausgeliefert. Für die Beschaffung neuer Fahrzeuge westlicher Produktion fuhr im November 1991 ein Probezug der Bremer Straßenbahn 801 (Typ  GT6N) in Berlin.  Diese Fahrzeugtype wurde in den Folgejahren von Berlin gekauft. Die historisch anmutenden Reko -Fahrzeuge der Nachkriegszeit, die wenig Komfort boten und den Anforderungen eines modernen Straßenbahnbetriebes erfüllten, konnten bis 1996 außer Betrieb genommen werden.

Am 26. August 1994 konnte der erste Niederflurgelenktriebwagen (GT6N) an die BVG übergeben werden. Am 14. Oktober 1995 erreicht die Straßenbahn erstmalig seit 1967 wieder das alte West-Berlin. Die Linie 23 wird vom Bezirk Prenzlauer Berg über die Bösebrücke (S-Bhf. Bornholmer Straße) nach Wedding zum Luise-Schröder-Platz geführt. Eine Verlängerung der Strecke entlang der Seestraße bis zum Virchow-Krankenhaus erfolgte 1997 . Weitere Planungen der Senatsverwaltung (Leipziger Straße, Potsdamer Straße, Kreuzberg, Wasserstadt Spandau) wurden zunächst aufgrund der allgemeinen Wirtschaftslage nicht realisiert. Wenige kleine Erweiterungen liessen das Netz nur langsam wachsen.

1998 befuhr seit 1967 erstmals wieder eine Straßenbahn den Alexanderplatz. Damit wurde auch dieser stadtplanerische Schnitt damaliger Stadtplaner wieder rückgängig gemacht. Zum Fahrplanwechsel im Mai 2006 folgte die Inbetriebnahme der zweiten Straßenbahnlinie im alten West-Berlin: entlang der Bernauer Straße zur Invalidenstraße (S-Bhf. Nordbahnhof).

Image-Beflaggung zur nicht geglückten  Bewerbung 1992/93 der Stadt Berlin als Austragungsort der Olympischen Spiele 2000

Immer wieder geistern um 2005 / 2006 schwache Fahrgastzahlen und schlechte betriebswirtschaftliche Zahlen einzelner Strecken durch die Medien. Statt Lösungen zu suchen den Verkehrswert dieser Außenstrecken wieder zu erhöhen, drohen die städtischen Verkehrsbetriebe mit der Stilllegung dieser Strecken. Das Steigern der Wirtschaftlichkeit wäre etwa durch die Modernisierung der Strecken möglich (Streckengeschwindigkeit und Vorrangschaltungen verbessern)  mit dem Ziel attraktivere Fahrzeiten zu erreichen, aber auch eine attraktivere Tarifpolitik in den Außenbezirken und Zielgebiete des Umlandes mit dem Ziel neue Kundenmärkte zu erreichen. Der Senat von Berlin stimmt dieser Rechnung ein und bekräftigt den preiswerteren und flexibleren Ersatzbetrieb durch Autobusse. Die Geschichte wiederholt sich ... Gibt es schlimmeres als einfallslose Verkehrspolitiker?

Quellennachweis zu diesem Artikel

  • 125 Jahre Straßenbahn in Berlin”, ALBA-Verlag 1990, von Sigurd Hilkenbach
  • Straßenbahnarchiv Berlin und Umgebung 5” Transpressverlag 1987, von Autorenkollektiv unter Leitung von Dr.-Ing. Gerhard Bauer
  • Die Straßenbahn der Berliner Verkehrsbetriebe 1949 - 1991” Transpressverlag 1997, von Sigurd Hilkenbach und Wolfgang Kramer
  • Berliner Straßenbahn gestern, heute, morgen”, BVG 1996, von Wolfgang Koop

Text und Zusammenstellung: M. Jurziczek 4/2006

 

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