Straßenbahn Berlin |
Die Berliner Straßenbahn und der Lindentunnel |
Straßenbahnfreier Blick vom Schloß auf die Linden Die Prachtstraße Berlins: Vom Stadtschloß Berlin zum Brandenburger Tor. Der Berliner flanierte gerne unter den Linden diese Straße entlang, um zu sehen und gesehen zu werden. Auch für den König und später Kaiser war diese Straße etwas besonderes. Anträge von Pferdebahngesellschaftern (der erste bereits 1875), diese Prachtstraße zu queren, wurden stets abgelehnt. Das Pferdebahnnetz war durch den zwei Kilometer langen Straßenzug geteilt, was zu unnötigen Umwegen und Engpässen seitlich der Prachtstraße führte. Auch der Stadt Berlin gelang es 1887 nicht, eine Genehmigung für eine Pferdebahn im Zuge der Friedrichstraße beim Kaiser zu erwirken. Das Stadtbild sei beeinträchtigt und der Pferdebahnbetrieb würde Eile und Hektik in die Prachtstraße bringen. Der Kaiser hatte das vertragliche Recht an einigen Stadtplätzen und Straßen die letzte Entscheidung in der Stadtplanung vorzunehmen, die Straße unter den Linden gehörte zu diesen Straßen. Erst 1894 konnte mit Hinweis auf den immer stärkeren Verkehr eine Genehmigung erteilt werden, die Linden im Bereich der Straße Hinter der Katholischen Kirche östlich des Opernhauses und dem Kastanienwäldchen zwischen Neuer Wache und Universität mit einer Pferdebahn zu queren. Zeichnung der Straßenbahnquerung an der neuen Wache mit der Prachtstraße unter den Linden (1902) Der Antrag auf eine weitere Querung im Zuge der Charlottenstraße wurde selbstverständlich vom Kaiser abgelehnt. Weitere Anträge wurden auch 1901 vom Kaiser Wilhelm II. abgelehnt, die Linden mit einer weiteren Pferdebahntrasse zu belasten. In Hinblick auf die ersten unterirdischen Bahnstrecken im Umkreis von Berlin (Hochbahn am Potsdamer Platz, Tunnel der Berliner Ostbahn in Stralau, Versuchstunnel der AEG in Wedding), die errichtet waren oder sich in bau befanden, soll Kaiser Wilhelm II. gesagt haben: “Drunter durch, nicht drüber weg!”. Ein Tunnel für die Groschenbahn Mit der Elektrifizierung bis zum Jahr 1902 der bestehenden Pferdebahnstrecken wurde von der Stadt Berlin auch ein Einheitstarif für die Gesellschafter festgelegt: Ein Groschen kostete nun eine Fahrt in Berlin mit der Elektrischen. Von der Elektrifizierung waren “repräsentative Plätze und Straßen” ausgenommen, um das Stadtbild nicht zu schänden. So blieb die eine bestehende Straßenbahnkreuzung auf den Linden auch Fahrleitungsfrei. Für die Züge erprobte man eine besondere Stromaufnahme mit einer nachgeschleppten Stromversorgung, die im Straßenpflaster eingelassen wurde. Diese gestaltete sich jedoch anfällig für Dreck, Laub, Eis und Schnee. Die Stadt genehmigte eine Notfahrleitung, die im Störungsfall schnell aufgebaut werden konnte, um das bei Betriebsunterbrechung der einzigen Lindenquerung nachsichziehende Verkehrschaos in Berlin zu vermeiden. Ansicht der Kreuzung von der Straßenbahn und der Prachtstraße unter den Linden, (Neue Wache, 1906), Kreuzung ohne Fahrleitung ausgeführt, elektrische Triebwagen verkehren mittels einer stromführenden Einlassung zwischen den beiden Fahrschienen Ab 1907 wurde die Notfahrleitung ständig aufgebaut gelassen. Eine Lösung, die nicht als dauerhaft und wenig befriedigend angesehen werden konnte. Ernsthafte Gedanken über eine Untertunnelung der Linden wurden in der Stadtverwaltung lauter. Probleme bereitete dabei die Wahl der Rampenstrecken, da der Platz für derartige Anlagen im Stadtzentrum schwierig zu finden war. Die einzige Lösung konnte an jener Stelle gefunden werden, an der bereits eine Straßenbahnstrecke die Linden kreuzte. Blick über den Straßenzug “Unter den Linden” (1902) auf das Berliner Stadtschloß, ein elektrischer Straßenbahnzug ohne Oberleitung kreuzt die Straße unter den Linden, die auch für königliche Aufzüge herhalten musste, “das Drahtgestripp” könnte das Gesamtbild beeinflussen. Bei dem lärmenden und stinkenden Autoverkehr der heutigen Zeit würde der Kaiser wohl die Prachtstraße zur Fußgängerzone erklären Die Pläne für eine Untertunnelung der Linden waren Anlass für heftige Auseinandersetzungen mit den Straßenbahngesellschaftern. Die Große Berliner Straßenbahn (GBS) sah sich von den Ausbauplänen der Hoch- und Untergrundbahngesellschaft in ihrer Existenz bedroht, und legte ein eigenes Tunnelbahnnetz vor, welches sie mit ihren elektrischen Straßenbahnwagen befahren wollte. Mit dem Ausbau des heutigen Kleinprofilnetzes der U-Bahn sanken die Fahrgastzahlen bei der Straßenbahn auf parallelführenden Strecken, die vorher zu den Hauptachsen der GBS zählten. Die Hoffnung, die Berliner würden aus Scheu herunterzufallen die aufgeständerten Bahnen (Hochbahn) oder aus Angst vor Tunneleinbrüchen die Unterpflasterbahn (Untergrundbahn) meiden, bewahrheiteten sich bis heute nicht. Schließlich folgte eine Einigung zwischen der Stadt und der GBS über die Verlängerung der Konzessionen. Die Stadt trat allein als Bauherr auf. Der Weg für das Projekt war frei, es bedurfte nur noch der kaiserlichen Zustimmung, die im Februar 1914 erteilt wurde. Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges, am 6. August 1914 lag die polizeiliche Baugenehmigung für den Tunnel unter dem Kaiser-Franz-Joseph-Platz zwischen der Neuen Wache, der Humboldtuniversität und dem Opernhaus vor, erste vorbereitende Maßnahmen wurden schon vorher getätigt (Baufeldfreimachung). Der Tunnel sollte im Norden 4 Gleise erhalten, sich in der Mitte verzweigen und jeweils 2-gleisig über zwei getrennte Tunnelausfahrten enden. Am 22. Oktober 1914 schloss die Stadt Berlin mit den beteiligten Straßenbahngesellschaftern Benutzungsverträge ab, die es regelten dass der östliche Tunnel für die GBS zur Verfügung stand, der westliche für die städtische Berliner Straßenbahn. Die GBS hingegen darf für die nach Südwesten verlaufenden Strecken aus den Westtunnel mitbenutzen. Der Option für den Einsatz doppelstöckiger elektrischer Straßenbahnwagen durch die GBS wurde mit einem hohen Tunnel (4 Meter) entsprochen. Der Tunnel unter dem Kaiser-Franz-Joseph-Platz ist für eine Kreuzung mit einer Untergrundbahn vorbereitet (verstärkt) Übersichtskarte Lindentunnel - Tunnelteil A: 4-gleisig, Tunnelteile B und C je 2-gleisig Mit den Baukosten von rund 3 Mio Mark wurde der Bau 1916 abgeschlossen und am 10. Dezember 1916 dem Betrieb übergeben. Durch östlichen Tunnel fuhren sieben Linien der GBS (33, 40, 42, 44, 53, 54, 55) sowie eine Linie der Südlichen Berliner Vorortbahn (Linie III). Durch den westlichen Tunnel durchfuhren die Züge der städtischen Berliner Straßenbahn und der Berliner Elektrische Straßenbahnen A.G (BESTAG) sowie 4 Linien der GBS. Die alte Straßenbahnkreuzung auf den Linden wurde nun abgebaut. Tunnelquerschnitt Lindentunnel (Tunnelteil A) für den Einsatz von Doppelstockwagen Der östliche Tunnel (B) hatte eine Länge von 123 Metern, der Westliche (C) 187 Meter. Die zweigleisige Unterfahrt war 6,10 bis 6,25 Meter breit und 4,65 Meter hoch für den Einsatz elektrischer Doppelstocktriebwagen.
Tunnelquerschnitt (oben östlich B, unten westlich C) Ein Betriebsaufseher, die über die Einhaltung der gefahrenen Geschwindigkeit (max. 10 km/h) und Zugfolge wachte, überwachte den Straßenbahnbetrieb unter dem Kaiser-Franz-Joseph-Platz. Eine Signalanlage regelte den Abstand der Züge. Weitere Feinheiten können in der entsprechenden Dienstanweisung nachgelesen werden (Download siehe Quellverweis am Ende des Artikels). Auszug aus dem Liniennetz 1927: der auffällig straßenbahnfreie Straßenzug unter den Linden, nur die westliche Tunnelstrecke wird noch seit Inbetriebnahme der U-Bahnstrecke C befahren Der Lindentunnel kann als wichtige Streckenverbindung für die Straßenbahn im Berliner Stadtgebiet erachtet werden. Jedoch währte der Erfolg nicht lang: 1923 folgte die Eröffnung der städtischen Nordsüdbahn Seestraße - Kreuzberg (später die Linien CI und CII, heute als U6 bezeichnet), was den durch den Lindentunnel verkehrende Linien an Bedeutung nahm. Fahrgastrückgänge waren die Folge. Bereits im September 1923 wurde der Verkehr durch den westlichen Lindentunnel wieder eingestellt, durch den östlichen Tunnel fuhren weiterhin 5 Linien. Im stillgelegten westlichem Tunnelteil begann der Beauftragte für das Beleuchtungswesen des GBI 1943 mit Leuchtversuchen für die Straßentunnel, die im Zuge der Umgestaltung zur Reichshauptstadt Germania gebaut wurden (Achsenkreuz). Der Tunnel erlitt durch die Kriegshandlungen bis 1945 kaum nennenswerte Schäden. Der Betrieb wurde auf dieser Strecke nochmals am 26. Mai 1950 aufgenommen, jedoch letztmalig am 2. September 1951 eingestellt, die Straßenbahn aus der nun Ost-Berliner Innenstadt verbannt. Gleisplan der Berliner Straßenbahn im Innenstadtbereich rund um den Lindentunnel (Stand 1953). Gut erkennbar der straßenbahnfreie Straßenzug “Unter den Linden” Nach Nutzung als Abstellraum für das benachbarte Maxim-Gorki-Theater und Fahrzeuge der Betriebskampfgruppen, Volkspolizei und Technikraum für die Videoüberwachung der Deutschen Volkspolizei folgten Kunstprojekte in der Zeit nach 1990. Im Westteil des Tunnels unter dem Bebelsplatz wurde 1994 ein Mahnmal an die Bücherverbrennung im Jahr 1933 errichtet. Dabei handelt es sich um einen leeren Raum, der vom Bebelsplatz über eine Glasplatte im Boden zu sehen ist und leere Bücherregale zeigt. Der nördliche viergleisige Tunnelteil sowie der östliche zweigleisige Tunnel wird vom Maxim-Gorki-Theater als Requisitenlager verwendet (Zugang über einen im Gehwegbereich eingelassenen Lastenauzug der einstigen Tunnelrampe). In den Jahren danach (2003) folgte der Abbruch des westlichen Tunnels, um Platz zu schaffen für eine Tiefgarage. Die Tiefgarage ist mit dem nördlichen Tunnelteil (A) verbunden und dient als Belüftungsskanal der Tiefgarage und ist nicht öffentlich zugänglich. Die Rampen sind heute zugeschüttet, Spuren sind kaum mehr auszumachen. Die Gedenktafel, die an die Eröffnung des Tunnels am nördlichen Tunnelende erinnerte, befindet sich heute im Unterweltenmuseum der Berliner Unterwelten e.V. Text und Zusammenstellung: M. Jurziczek 4/2006
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