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U-Bahn Berlin

Stellwerksbezirk Nordbahnhof (Naturkundemuseum )

Am 30.1.1923 nahm die Nordsüd-Untergrundbahn ihren Betrieb auf. Zunächst zwischen dem nördlichen Endpunkt Seestraße und dem Halleschen Tor. In kleinen Schritten wurde bis 1929 die Strecke nach Süden bis zum Bahnhof Tempelhof (Südring) erweitert, ab dem Bahnhof Belle-Alliance-Straße verzweigt sich die Strecke bis zur Grenzallee (bis 1930 eröffnet). Die Firma Siemens zeichnete sich hier auch für die Ausrüstung der Zugsicherungstechnik verantwortlich.

Um mit dem Bahnhofs-Namen-Durcheinander gleich zu beginnen: Der Bahnhof wurde mit dem Namen “ Stettiner Bahnhof” eröffnet, da sich unweit des Bahnhofes der damalige Fernbahnhof in der Invalidenstraße befand. Ab dem 11.12.1950 wurde der Fern- und seit 1936 unterirdisch gelegene  S-Bahnhof in “ Nordbahnhof” umbenannt, der städtische Untergrundbahnhof folgte erst 4 Wochen später am 10.1.1951 mit der Umbenennung. Der Fernbahnhof Nordbahnhof wurde am 18.5.1952 für den öffentlichen Verkehr geschlossen, die beiden Schnellbahnhöfe (S+ U-Bahn) behielten jedoch den Namen nach dem mittlerweile abgerissenen Fernbahnhof. Das soll sich schon am 3.10.1991 ändern, ein Jahr nach der politischen Vereinigung beider deutschen Staaten. “Zinnowitzer Straße” steht nun geschrieben. Der S-Bahnhof nennt sich noch heute “Nordbahnhof”, ähnlich wie der auch nicht mehr vorhandene “Anhalter Bahnhof” verweisen die S-Bahnhöfe auf nicht mehr vorhandene Orientierungspunkte. Aber davon gibt es etliche Haltestellennamen im Berliner Verkehrsnetz und helfen dem Ortsunkundigen damit nicht weiter.

Die Kehranlage Nordbahnhof wurde noch bis zum 12. August 1961 als Endpunkt der Verstärkerlinie CIIV verwendet. Aus unseren Archivunterlagen hier ein Abdruck des Sommerfahrplans 1961 (Minutenplan für die Zugfahrer):

Durchfahrzeiten Verstärkerlinie CII  gültig ab 2.5.1961

Mit der baulichen Ausführung der Sektorengrenze in Berlin stand dieser Bahnhof mit Betriebsbeginn am 13. August 1961 nicht mehr für den Fahrgastbetrieb zur Verfügung. Der Bahnhof wurde geschlossen. Die Züge der von der BVG- West betriebenen Linie C fuhren ohne Halt durch die Station hindurch. Die Kehranlage hatte fortan soweit uns bekannt keine Aufgabe mehr gehabt.

Aktuell nennt sich der Bahnhof seit dem 13.12.2009 “Naturkundemuseum ”. Wir bleiben hier bei der historischen Betrachtung beim Namen, den der Bahnhof zur Außerbetriebnahme des beschriebenen Stellwerks trug.

Zur Verwendung gelangte wie auf der gesamten Strecke C ein elektromechanisches Einreihen-Hebelstellwerk mit dem Umleithebel für den Durchleitbetrieb. Damit war es nicht erforderlich, das Stellwerk dauerhaft mit Personal zu besetzen. In den letzten Kriegstagen 1945 wurde das Stellwerk (Hebelwerk und Relaisraum) durch einen Brand völlig zerstört. Die VES (Vereinigte Eisenbahn- Signalwerke, Siemensstadt) bauten im Sommer 1945 eine neue Stellwerksanlage auf, die jedoch einem bis heute ungeklärten Brand (19./20. November 1945) wieder zerstört wurde. Die BVG-eigene Abteilung für elektrische Anlagen errichtete aus Ersatzteilen und Übernahme des nicht mehr benötigten Stellwerks “Bahnhof Bergstraße” ein Stellwerks -Eigenbau. Dieser 2. Ersatzbau wurde am 27. Juni 1946 in Betrieb genommen. Abbildung unten: Verschlusstafel vom Tage der der Inbetriebnahme 27.6.46.

Verschlusstafel U-Bhf. Stettiner Bahnhof (Sb)1946

Am 10. Januar 1951 erfolgte die Bahnhofsumbenennung in ”Nordbahnhof”, da der benachbarte Fernbahnhof nun diesen Namen trug. Die benachbarte Station “Schwartzkopffstraße” nannte sich ab dem 9.4.1951 Walter-Ulbricht-Stadion (Wus), das nun der Verschlusstafel auch zu entnehmen ist.

Bedienungstafel Stellwerk Nordbahnhof (mit freundlicher Unterstützung vom U-Bahnmuseum Berlin)

Die originale Bedienungstafel des Stellwerks im Zustand der Ausserbetriebnahme befindet sich heute zusammen mit der Fahrschautafel des Stellwerks im Berliner U-Bahnmuseum (U-Bhf. Olympiastadion).

Bis 1961 kehrten hier die Verstärkerzüge aus Richtung Süden, im Bedarfsfall auch von Norden. Nach 1961 gelangten hier auch keine Arbeitszüge mehr zum Einsatz. Der Ostberliner Betriebsteil der BVG war zwar für die Instandhaltung der Bauwerks- und Gleisanlagen zuständig, jedoch mangelte an einer direkten Gleisverbindung zum Ostnetz. Schienen und Schwellen zur Instandhaltung der Strecke wurde aufwendig über die Treppenzugänge der Stationen zur Baustelle gebracht. Ein Arbeitszug von Alexanderplatz über den Waisentunnel und Hermannplatz / Mehringdamm (E/D/C) wäre möglich gewesen, aber politisch in Ostberlin nicht gewünscht. Die Ideologen der SED-Führung hatten ja auch nicht die schweren Materialien zu tragen.

Stw_Streckenband_Sb_1923

Bahnhofsübersicht Stettiner Bahnhof

Fahrschautafel Nordbahnhof (vorher Stettiner Bahnhof) im Berliner U-Bahn-Museum  (2010)

Wann genau das Stellwerk außer Betrieb gegangen ist, haben wir noch nicht genau erfassen können. 1961 verweisen die betriebsinternen Unterlagen noch auf die nutzbare Kehranlage, ab Herbst 1961 wurde das Stellwerk dauerhaft im Automatikbetrieb (Durchleitbetrieb) geschaltet. Dann verliert sich die Spur. 1967 sind die Weichen in den Betriebsunterlagen verschwunden. Das “Herz des Stellwerks” (der Relaisraum) lief über die ganzen Jahre im Automatikbetrieb weiter und wurde durch die Ostberliner BVB instand gehalten.

Die Weichen zu den Hauptgleisen wurden ausgebaut, die restlichen Meter liegen bis heute nutzlos rum. Auch nach der politischen Einheit ist bisher keine Notwendigkeit zur Reaktivierung der Abstellanlage entstanden. Problematisch ist zudem der zu enge Raum neben dem Zug zum Fahrgleis.

Signalplan der BVG-Ost (1973)

Signalplan des Verkehrskombinates BVB (1973) vom Streckenabschnitt Stadion der Weltjugend (Sdw) bis Friedrichstraße (F). Der mit Km 2,693 bezeichnete Punkt kennzeichnet die Staatsgrenze der DDR

Zur besonderen Problematik “Westzugverkehr durch die Strecken der Ostberliner Verkehrsbetriebe ”, allgemein “U- Bahn Transitverkehr” genannt, siehe die Sonderseiten hier auf der Webseite unter “Strecken -> Transit ”. Im BVS-Online Archiv finden Sie zusätzlich zahlreiche Film- und Textdateien zur Thematik.

Mit der Berliner U-Bahn über die Staatsgrenze und zurück

Die Untergrundstation Naturkundemuseum ist heute ein Bahnsteig an einer Selbstblockstrecke und wird seit Abschaltung der alten Stellwerkstechnik (2002) vom SpDrS-U Stellwerk Friedrichstraße überwacht und von der LISI-Zentrale (U6) ferngesteuert. Eine Wiederinbetriebnahme des Abstellgleises an der Station Naturkundemuseum wird ab etwa 2010 immer wieder hausintern bei den Verkehrsbetrieben diskutiert. Hinderlich ist hier jedoch die noch kurze Nutzlänge für die einst nur 80 Meter langen Züge auf dieser Linie und der schmale Raum gegenüber den Fahrgleisen. Die heutigen Arbeitsschutzvorgaben der BG Bahnen erfordern einen Verkehrsweg von 100 cm Breite neben dem Zug unter Berücksichtigung der Schutzabstände gegenüber bewegten Fahrzeugen. Unter Berücksichtigung der bestehenden Stützpfeilerreihe auf einer Seite eine nicht unmögliche aber aufwändige Investition. Hinzu, dass hier keine Flankenschutzeinrichtung räumlich vorgesehen ist, aber für Neuanlagen nun auch nach BoStrab erforderlich ist. Zur Betriebsstabilisierung jedoch wäre das Projekt eine gut angelegte Investition, die der Fahrgast durch mehr Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit des Betriebsablaufs bemerken würde.

Nf Kehranlage 2006

Blick in das Kehrgleis 3 des heutigen Bahnhofes Naturkundemuseum Richtung Gleisabschluß. Die Weichen wurden ausgebaut, das übrige Gleis liegt noch im Schotter.

Nf Kehranlage Laufsteg

Das alte Einstiegspodest mit einem Stück Stromschiene am Boden

Nf Kehranlage Sandgleis-Prellbock

Gleisabschluß: Bei der U-Bahn werden die letzten Meter Schiene mit Sand überschüttet, um die Bremskraft nochmals zu erhöhen und langsam rollende Fahrzeuge vor der Berührung mit dem Gleisabschluß zu Bremsen

Nf Schienenrest Kehre

Die nur rund 30 Jahre verwendeten Kehrgleise sind nahezu ungebraucht

Nf Kehranlage Schienenkontakt

Spuren der Gleisisolierung (selbsttätige Gleisfreimeldeanlage) von Siemens&Halske, 1923

Quellen und weiterführende Literatur:

  • Unterlagen aus dem Redaktionsarchiv Berliner Verkehrsseiten (Pläne, Bilder, Fahrpläne)
  • Hinweise und Ergänzungen aus dem freien Redaktionskollektiv Berliner Verkehrsseiten: Mario Danke, Detlef Jentzsch,
  • ”Entwicklung und Bau von Regionalstellwerken in Spurplan-Technik für die Berliner U-Bahn”, Fritz Gnädig in “Verkehr und Technik” 2/1977
  • Zusammenfassung der Entwicklung von Stellwerken bei der Berliner U-Bahn unter dem Titel “Die Zugsicherungsanlage der Berliner Hoch- und Untergrundbahn”, BVG-internes Dokument (Hauptabteilung elektrische Anlagen, Abteilung U- Bahn Bezirk 1”) schätzungsweise zwischen 1947/1949 erstellt.
  • Siemens Zeitschrift Heft 5/6 Jahr 1925 “Selbsttätige Signalsicherungsanlage der Nord-Süd-Bahn AG Berlin 1923” von Dr. Ing. Arndt (Siemens&Halske)
  • Mit freundlicher Unterstützung und Hilfe von Mitgliedern des Berliner U-Bahn-Museums
  • Präsentation Sicherungstechnik BVG (BU-A7) von Mai 2006
  • “Übersicht der Signalanlage U-Bahn” (3.00.1-001), Berliner Verkehrsbetriebe (Ost), 1954 mit Korrekturen bis 28.8.1980 (Archivbestand Berliner Verkehrsseiten)
  • Dokumente von der Inbetriebnahme 27.6.1946 aus der Sammlung Mauruszat.

Text und Zusammenstellung: Markus Jurziczek von Lisone, BVS 3/2010

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