U-Bahn Berlin |
Die Akkumulatoren-Lokomotive 1211 |
Nachts, wenn man glaubt die ganze Stadt würde ruhen, die U-Bahn würde still stehen, geht es erst richtig laut zu. Die dichten Zugfolgen der U-Bahn lassen nur sehr wenige, kleine Arbeiten während des Zugverkehrs zu. Die engen Fahrtunnel bieten wenig Platz für Arbeitsmaterial, -gerät und Arbeiter. Für die nächtlichen Instandhaltungsmaßnahmen wurden stets Lokomotiven genutzt, die unabhängig von der Stromschiene in den Baustellen bewegt werden können, da die Stromschiene im Arbeitsbereich abgeschaltet wird. Daher werden die Arbeitslokomotiven von Dieselmotoren angetrieben, oder speichern die Energie aus der Stromschiene in Akkumulatoren um in den stromlosen Baustellbereichen fahren zu können. Da die U-Bahntunnel nicht den Fahrzeugmaßen der Eisenbahn entsprechen, können auch keine Fahrzeuge aus dem normalen Lieferprogramm der Fahrzeughersteller entnommen werden. So sind die Wagen und Lokomotiven stets als Einzelanfertigung zu sehen, was sich auch im Preis niederschlägt, wenn eine Lokomotive in Auftrag gegeben wird. Daher entschied sich die BVG-West 1965 eine neue Akku-Lok selbst zu bauen. Das Grundgestell und die beiden Drehgestelle der ausgemusterten B1-Triebwagen 28 (Wagenkasten) und 29 (Untergestell) wurden für die Akku-Lok verwendet. Entsprechend der zukünftigen Belastungen wurde der Unterbau verstärkt. Werkfoto der BVG: Lok 1211 nach Fertigstellung in grünem Arbeitskleid Bisher gelangten bei der Schienenfahrzeugtechnik zur Ansteuerung von Elektro-Fahrmotoren eine Schützen- oder Nockenschaltsteuerung zum Einsatz. Mit der Entwicklung der Halbleiter-Steuerungen mit Leistungs-Thyristoren ergaben sich in diesem Feld neue Möglichkeiten. Diese kontaktlose Geschwindigkeitssteuerung ist heute in den modernen Fahrzeugen nicht mehr wegzudenken. Die Thyristorsteuerung ermöglicht im Vergleich zur herkömmlichen Steuerung eine verlustarme Anfahrt und Bremsung durch impulsförmige Spannungssteuerung der Fahrmotoren ohne Energievernichtung in Anfahrwiderständen. Um die technischen und wirtschaftlichen Bedingungen einer solchen Thyristor-Steuerung für die Anwendung im U-Bahnbetrieb mit 750 V Stromschienen-Nennspannung und deren einwandfreie Funktion bei den dabei auftretenden Spannungsbeansprüchen zu erproben, wurde die Lokomotive 1211 für den 420 V Batteriebetrieb oder 750 V Stromschienenbetrieb mit einer Thyristor-Steuerung der Firma Siemens ausgerüstet. Bei Betrieb aus der 750 V Stromschienenspannung kann wahlweise die neue Thyristorsteuerung verwendet werden, oder auf die herkömmliche Schützensteuerung umgeschaltet werden.
Für die elektrische Bremsung mit der Halbleitersteuerung ist bei 420 V Batteriebetrieb eine Nutzbremse mit Stromrückgewinnung zur Batterieladung und bei 750 V Stromschienenbetrieb eine Widerstandsbremse vorhanden. Als Betriebsbremse dient stets die herkömmliche Druckluftbremse. Fahrzeugbeschreibung: Das Fahrzeug ist eine 4-achsige Zweisystemlokomotive mit Mittelführerstand. Die Traktionsbatterie ist in beiden abgeflachten Vorbauten untergebracht, in denen sich auch die Druckluftausrüstung und Baugruppen der Thyristorsteuerung befinden. Die Ausrüstung für die herkömmliche Schützensteuerung sowie der Umformer sind unter dem Wagenkasten aufgehängt. Im Fahrstand sind für beide Fahrtrichtungen je zwei Fahrschalter, davon je einer für Thyristor- und Schützensteuerung, angeordnet.
Fahrpult: Kurbel für die Schützensteuerung, Fahrtregler für die Thyristorsteuerung, rechts das Fahrerbremsventil (Druckluftbremse) Fahrt von der 750 V Stromschiene, Ansteuerung der Fahrmotore über Thyristorsteuerung: Die Anfahrt mittels Thyristorsteuerung erfolgt stufenlos über je einen Gleichstromsteller für jedes Drehgestell. Motorstrom und damit die Anfahrbeschleunigung werden über einen Stromregler in Abhängigkeit von der Stellung des Fahr-Bremshebels vorgegeben; gleichzeitig wird über einen Impulssteuersatz die Spannung an den Fahrmotoren entsprechend ihrer Drehzahl geregelt. Anfahrwiderstände werden hier dabei nicht benötigt. Die Abremsung des Fahrzeuges erfolgt elektrisch über die Gleichstromsteller auf entsprechend gruppierte Bemswiderstände. Zum Stillsetzen des Fahrzeuges wird die Druckluftbremse herangezogen. Fahrt von der 420 V Batterie, Ansteuerung der Fahrmotore über Thyristorsteuerung: Die Anfahrt erfolgt wie bei der Fahrt über 750V Stromschiene. Jedoch beim Bremsen wird die anfallende Bremsenergie über die Gleichstromsteller und Anpassungswiderstände in die Batterie zurückgespeist. Zum Stillsetzen des Fahrzeuges dient auch hier die Druckluftbremse. Fahrt von der 750 V Stromschiene, Ansteuerung der Fahrmotore über Schützensteuerung: Die Steuerung ist die bei der Wagenbauart B1 übliche Schützensteuerung über Widerstände mit 12 Anfahrstufen. Beide Motoren eines Drehgestells sind zu einer Gruppe parallelgeschaltet. Die Gruppen arbeiten zunächst in Reihen- und dann in Parallelschaltung. Die Ansteuerung der Schütze erfolgt über den herkömmlichen B1-Fahrschalter (“Kurbel”), von denen je eine für jede Fahrtrichtung vorhanden ist. Wahl der Ansteuerungsart: Das Bremsen kann stets unabhängig von der Ansteuerungsart mit Druckluft über ein herkömmliches Fahrerbremsventil erfolgen. Die Wahl der Betriebsart erfolgt mit Hilfe eines nur einmal vorhandenen Umschalthebels, mit dem die Fahrschalter der Schützensteuerung oder die Betriebswahlschalter der Thyristorsteuerung betätigt werden.
Die Fahrbatterie (auch Traktionsbatterie genannt) wird über die Anfahrwiderstände von der Stromschiene (750 V) geladen, wenn das Fahrzeug abgestellt wurde, alle Fahrschalter auf Null standen. Der Ladezustand der Batterie wird von einem Sangamo -Amperéstundenzähler überwacht und mit Ladekontrolllampen angezeigt.
Nach ausreichender Erprobung der Thyristorsteuerung erfolgte der probeweise Einbau einer weiterentwickelten Steuerung erstmals in einem Fahrgastzug, dem DL-Wagen 2430/2431.
Die Spur zu diesem Fahrzeug verliert sich ab 1985. Möglicherweise wurde das Fahrzeug noch in die neue Arbeitszugnummerngruppe 4052 umgezeichnet. 1987 scheint das Fahrzeug ausgemustert worden zu sein. Das Fahrzeug behielt bis zur Ausmusterung die grüne Arbeitszug-Lackierung.
Lok 1211 vor der Wagenhalle Bw Seestraße, Aufnahme etwa zwischen 1976 und 1980 Quellen und weiterführende Literatur:
Text: Jurziczek, 8/2004 |
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