Berliner Verkehrsseiten - Das Geschichtsmagazin zum Berliner Nahverkehr

Obus Berlin

1956 - AEG / HS

1956 wurde nach längerer Zeit wieder ein neues Fahrzeug in Dienst gestellt. Der Wagen 484 ist als Vorserienwagen zu sehen, die späteren Wagen ( 484 - 490) waren fast gleich. Einige wenige technische Unterschiede ergaben sich bei den Serienwagen. Wagen 484 hatte eine Büssing Vorderachse, und eine Hinterachse von Henschel.  Die Wagenbschaffung insgesamt diente als Ersatz für zahlreiche alterschwache Wagen. Erstmals kamen in der letzten Epoche der Steglitzer Obusgeschichte Zweiachser zum Einsatz, wie auch der erste Obus 1912 (der Gleislobus) in Steglitz zweiachsig war. Wagen 484 wurde zunächst als 1304 bezeichnet (altes Ordnungssystem nach Fahrgestellhersteller).

Maßzeichnung Wagen 484

Bei den Wagen handelte es sich um selbsttragende Konstruktionen. Die Achsen wurden von Henschel geliefert, AEG stattete den Wagen mit dem elektrischen Anrieb aus und Gaubschat lieferte den Wagenaufbau. Die Wagen waren für den Fahrgastfluß hergerichtet und boten noch die klassische offene Plattform. Ein Fahrgefühl, welches man in Berlin schon lange nicht mehr erfahren darf. Offene Plattformen gab es beispielsweise noch bis 2005 in London bei den alten Routemaster -Wagen. In Deutschland verboten die Vorschriften derartiges Busfahren seit etwa 1972. 34 Sitzplätze standen 14 Stehplätzen im Fahrgastraum gegenüber. Auf der offenen Plattform konnten nochmals 22 Personen stehen (gesamt 70 Plätze). Eine fremderregte Widerstandsbremse mit 3 Stufen bremste das Fahrzeug sanft ab.

Maßzeichnung aus dem Wagenparkbuch 1961

Maßzeichnung aus dem Wagenparkbuch 1961

Technische Daten der AEG - HS, Wagen 484 - 490

Baujahr:

1957  (Wagen 484 = 1956)

Wagenhersteller

Heschel

elektrische Ausrüstung:

AEG

Getriebeart:

Antrieb Zahnräder

Zähnezahl der Getriebe:

26:8 * 33:10

Gesamtuntersetzung:

10,7

Motorenanordnung:

Doppel- Kollektormotor

Motorenbezeichnung:

USC 227a

Stundenleistung bei 100% Err.

2x50 kW

Stundenstrom bei 100% Err.

2x102 A

Stundendrehzahl

1520 U/min

Zul. Höchstdrehzahl

3040 U/min

Zahl der Hilfspole

4 Stück

Fahrschaltertyp

AEG GNW 55

Zahl der Anfahrstufen:

12+2

Serienstufen bei voller Err.

8

Parallelstufen

4

Motorsteuerung:

selbsttätiges Nockenschaltwerk

Antrieb des Schaltwerkes:

Druckluft

Gewicht leer / besetzt  Wagen 484

8790 kg / 13470 kg

Gewicht leer / besetzt:Wagen 485 - 490

8680 / 13360

Höchstgeschwindigkeit:

60 km/h

  Wagen 489 (links) und 488 (rechts) in der Obuswagenhalle des Betriebshofes Steglitz

Wagen 489 (links) und 488 (rechts) in der Obuswagenhalle des Betriebshofes Steglitz

Viele Obusfahrzeuge der heutigen Zeit haben Notfahreinrichtungen. Sind diese etwas größer angelegt um auch die Geschwindigkeiten von 50 km/h zu erreichen, spricht man von einem Duobus. Die Hilfsfahreinrichtung ist jedoch kein doppelter Antrieb, er dient lediglich zum Rangieren auf dem Betriebshof, dem außerplanmäßigen Wenden auf der Strecke oder dem Umfahren eines unbefahrbaren Streckenabschnittes. Die Henschelwagen HS56 sind mit einer Batterie-Fahreinrichtung der Firma AEG  ausgestattet worden. Die Nickel-Cadmium-Batterien der Type S24 ermöglichten dem Akkubetrieb im Gegensatz zu den herkömmlichen Bleibatterien die gleichmäßige Stromentnahme. Die Ladung der 3x 24V/72A NiCd Batterien erfolgt über die Lichtmaschine (Bosch 600/24). Der Fahrer muss zum Wechseln der Betriebsart den Fahrtrichtungswender auf die Nullstellung bringen, den Schaltgriff ziehen wodurch ein Schalter betätigt wird der die drei Batterien in Reihe schaltet. Nun kann mit dem Fahrpedal das Fahrzeug beschleunigt werden. Der Wagen erreicht eine Geschwindigkeit von bis zu 10 km/h für etwa 1500 Meter. 

Zwar liegt der Aktionsradius sehr begrenzt und die Geschwindigkeit sehr niedrig, der Vorteil liegt jedoch hier im geringen Gewicht der Notfahreinrichtung (Mehrgewicht 150 - 170 Kg). Eine größere Batterie oder gar ein Verbrennungsmotor mit dem dazugehörigen Tank und Steuerung für einen dieselelektrischen Antrieb oder gar mit einem separaten Getriebe für einen herkömmlichen dieselmechanischen Antrieb bringen erheblich mehr Gewicht in das Fahrzeug. Auch liegt der Preis erheblich unter den anderen Möglichkeiten.

Der Museumswagen 488 nutzte seine Akku-Notfahreinrichtung zur Fahrzeugparade anlässlich der 75 Jahrfeier der BVG (1979) auf dem Tauentzien / Kurfürstendamm und konnte so mit eigener Kraft von der Urania bis zur Joachimsthaler Straße fahren.

Die Wagen dieser Bauart fuhren bis zum Schluss des Obusbetriebs in Steglitz, im März 1965. Nach Einstellung des Betriebes wurden die Wagen 484, 485, 487, 489 und 490 zunächst auf den Betriebshof Zehlendorf abgestellt. Es wurde versucht, die Wagen zu verkaufen, jedoch fand sich im Westen Deutschlands kein Abnehmer. Im Frühjahr 1966 wurden die Wagen in den Straßenbahnbetriebshof Charlottenburg überführt, wo im großen Stil Straßenbahnwagen zerlegt wurden.  Hier befanden sich im April 1966 alle 7 Wagen dieses Typs.

Wagen 488 ist museal erhalten und heute dem Deutschen Technikmuseum zugeordnet, wird vom DVN zusammen mit der BBG gepflegt. Gelegentlich kommt er für historische Fahrten im Eberswalder Obusnetz zum Einsatz.

Quellen und weiterführende Literatur:

  • Wagenparkbuch der BVG, Januar 1961
  • ALBA, Berliner Omnibusse, Gammrath, Jung, Schmiedeke
  • Verkehr und Technik, Heft 12/1958: “Eine neue Notfahreinrichtung für Obusse” von Kurt Walter
  • Berliner Verkehrsblätter, Heft 3/1965: “ Der Obus-Wagenpark im westlichen Berlin seit 1933”
  • Berliner Verkehrsblätter, Heft 8/2007: “Die letzte Obus-Serie der BVG-West: AEG - HS 56” von Hansjörg F. Zurueck, Seiten 139-142

Text und Zusammenstellung: Jurziczek, 9/2004

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