Die Berliner Hoch- und Untergrundbahn gab Edmondson´sche Pappkarten an den Fahrkartenschaltern der
Stationen aus. Vermutlich bediente man sich hier der gängigen Ausgabegeräte, wie sie auch bei der Reichsbahngesellschaft zum Einsatz kamen. Lange verbreitet waren auch vorgedruckte Karten aller Sorten im
Schalter, die sehr aufwendig nach fortlaufender Nummer zum Kassenschluss gezählt werden mussten. Erste Kartengeber in den Anfangsjahren der U-Bahn (um 1906) waren englischer Produktion.
Aufgrund der hohen Verkaufszahlen (in der Spitzenzeit 18 Karten pro Minute) bedurfte es einfacher und schneller Ausgabetechnik. Auch
im Kassendienst der U-Bahn suchten die Verkehrsunternehmen (ABOAG, Hoch- und Untergrundbahn sowie der Großen Berliner Straßenbahn) eine Vereinfachung der Abrechnung. Fahrscheine vom Block müssen stets
gezählt werden und aufwendig verschlossen werden, um den Kassenbestand zu ermitteln.
Hänel & Schwarz, eine Firma aus Berlin-Neukölln, war spezialisiert auf Automatentechnik
(Fahrkarten, Sparautomaten) und lieferte der Berliner U-Bahn ab 1927 „handbediente Fahrscheingeber“. Bei der der Berliner Hochbahngesellschaft wurden
bereits automatische Fahrscheingeber verwendet, jedoch stammten diese aus englischer Produktion aus der Zeit vor 1914. Diese gaben 6 verschiedene Sorten aus, die durch die Apparatur nicht bedruckt wurden
sondern nur ihre Gültigkeit aufgetragen bekamen (Uhrzeit). Schnell setzten sich Produkte deutscher Firmen durch, die auch den kompletten Fahrscheinaufdruck tätigten.
Im U-Bhf Hermannplatz wurde 1926 sogar kurzzeitig (6 Monate) eine selbsttätige Fahrscheinausgabe mit Drehkreuz von der Londoner U-Bahn
erprobt, die sich allerdings in Berlin nicht bewähren konnte. Die Berliner mieden diesen Zugang, der auch eine gewisse Störanfälligkeit zeigte.
Mit dem Tarifwechsel am 15. März 1927 konnten die englischen Kartengeber nicht mehr verwendet werden, da nun die halbstündige Zeitangabe
auf den Fahrkarten erforderlich war, was die alten Geräte nicht leisten konnten.
Hier entstanden kurzfristig die ersten Kartengeber mit manueller Uhrzeiteinstellung der Firma Hänel&Schwarz für den Einsatz bei der Berliner U
-Bahn. Eine provisorische Lösung, so ist den damaligen Aufzeichnungen zu entnehmen.
Folgend wurden elektrische Fahrscheingeber durch die AEG sowie durch
die Hochbahn selbst entwickelt, die die Zeitfortschaltung selbsttätig vornahmen. Diese elektrischen Geräte sollten die provisorischen, manuellen Kartengeber ersetzen.
Die neuen elektrischen Fahrkartengeber konnten bis zu 100 Fahrscheine
pro Minute auswerfen. Bei der Berliner U-Bahn wurden von 1928 bis 1936 bis zu 41 dieser elektrischen Fahrscheindrucker verwendet. Der Erfolg war
mäßig, so wurden die manuellen Kartengeber weiterhin als Rückfallebene vorgehalten. „Die Handgeber hätten sich besser bewährt“, urteilt die
Mitarbeiterzeitung „Freie Fahrt“ im Heft 10/1936 und erklärt, nur noch 20 elektrische Fahrscheingeber in Verwendung zu haben.
Die elektrischen Fahrkartengeber waren wohl zu störanfällig gegenüber
den Handgebern und zeichneten sich erheblich durch höhere Betriebskosten aus.
So hat sich der einst als „provisorisches Hilfsgerät“ nach der Tarifunion 1927 betitelte Kartengeber durch seinen einfachen und unverwüstlichen
Aufbau über alle Apparate, Wünsche und Versuche nach größerer Automatisierung hinweggesetzt.
Im Jahr 1936 wurden die 4-fach-Geber als „neueste Ausführung“
bezeichnet. Es handelt sich dabei einfach um zwei übereinander gesetzte 2-fach-Geber.
Damit sind die handbedienten Fahrkartengeber bei der Berliner U-Bahn
also ab 1927 (2-fach) und 1936 (4-fach) zum Einsatz gekommen.
Gegenüber den Edmondson`schen Pappkarten (Hochbahn,
Einzelstückverkauf) sind die Streifenfahrscheine aus dünnerer Pappe und weisen eine Zackenkante durch das Abriß auf. Die von elektrischen
Fahrscheingebern gedruckten Karten haben eine glatte Schnittkante. Der Streifenfahrschein hat die Abmaße ca. 7,5 cm x 3 cm.
Der Vorteil der Kartengeber von Hänel & Schwarz liegt in der Abrechnung
und großen Ausgabebestand. Die Kartengeber tragen im hinteren Bereich je Geber eine Rolle mit ca. 18 cm Durchmesser. Über eine Kurbel wird mit
einer Umdrehung der Aufdruck getätigt und der vorherige Druck zum Abriss ausgegeben.
Mit jeder Umdrehung wird ein Fahrschein auf dem Streifenpapier gedruckt
und gleichzeitig ein Zählwerk fortgeschaltet.
Zum Kassenende werden die einzelnen Geber verschlossen, im
Kassenbuch ist der Zählwerksstand zu übertragen. Die Fahrscheinrolle selbst ist ohne Aufdruck wertlos und muss nicht unter Kassenverschluss gehalten werden.
Was ist über die Firma Hänel & Schwarz bekannt?
Gegründet wurde sie 1908 von Curt Hänel, der 1877 geboren wurde.
Es gibt erste Patente von Curt Hänel aus dem Jahr 1909. Herr Hänel (teilweise auch nur unter Haenel zu finden) hat seine Patente auch in
England, Österreich und in der Schweiz angemeldet.
Die Firma Hänel & Schwarz hatte vermutlich ihren ersten Firmensitz in Berlin-Südende, nach Erweiterung die Produktion nach Berlin Neukölln
(Lahnstr. 30) verlagert. Eine letzte Spur findet sich noch 1958 mit der Adressangabe „Berlin-Wilmersdorf“. Aufgabedatum / Fusionsdatum ist leider noch unbekannt.
In den 60er Jahren hat die BVG-eigene Fahrkarten-Automatenwerkstatt eigene Fahrscheingeber nach Vorbild der Hänel&Schwarz-Geräte
nachgebaut.
Fahrscheingeber Nummer 1 (“Sophie-Charlotte-Platz”): BVG-Eigenbau mit Sicherheitsschloß, Zählwerk vorn
Soweit uns bekannt wurden diese Kartengeber ab 1927 bei den Berliner U-Bahn bis zum Tarifwechsel am 1. Mai 1988 ausschließlich im
Bereich der U-Bahn Verkaufsstellen verwendet.
Ab Mai 1988 wurden die letzten verbliebenen Kartengeber im Westnetz aus den personalbesetzten Verkaufsschaltern im U-Bahn Zugangsbereich
entfernt. Vermutlich sind nach 1945 keine Kartengeber mehr an die BVG ausgeliefert worden, zumindest haben wir bisher keine Geräte mit einer
späteren Siegelklappe ohne Hinweis auf das D.R.P. oder Firmenstandort Wilmersdorf gesehen. Möglicherweise wurden aber noch Ersatzteile geliefert.
Bei den Ostberliner Verkehrsbetrieben (BVG) wurden diese Kartengeber ab dem Tarifwechsel 1.3.1966 nicht mehr angewendet. Eine Ausnahme
bildete der Verkaufsschalter im Bahnhof Friedrichstraße, der hier bis 1984 noch Streifenfahrscheine gegen Westmark ausgegeben hat. Es gab zweifache und vierfache Geberautomaten.
Nach der Ausmusterung der Kartengeber gelangten einige wenige Kartengeber zum Verkauf, eine weitere Menge von etwa 40 Stück wurde als
Betriebsreserve eingelagert und erst 2016 aus dem Lagerbestand entfernt. Allgemein sind die Geräte jedoch im Sammelgebiet eher sehr speziell
und sehr groß, daher für den typischen Sammler oder Mitarbeiter eher unattraktiv. Uns sind lediglich diese Geräte hier bekannt.
Wir ergänzen gerne diese Liste wenn Sie uns ein Foto nebst der seitlich eingeschlagenen Gerätenummern zusenden
:
Gerätenummern
|
Geberart / Ausdruck (ZWO= Zählwerk oben)
|
Besitz (Stand: 4/2016)
|
322, ex 74
|
2-fach, ZWO
|
www.-ag-u-bahn.de
|
114, ex 288
|
4-fach
|
www.ag-u-bahn.de
|
---
|
2-fach, Friedrichstraße (?)
|
www.mkb-berlin.de
|
72, ex 316, 510 (unten: ex 62)
|
4-fach, Borsigwerke
|
www.mkb-berlin.de
|
520, ex 157 (unten ex 6)
|
4-fach, ZWO, Rudow, Zwickauer Damm
|
www.b-v-s.berlin
|
8, ex 283 (unten ex 26)
|
4-fach Kottbusser Tor nebst Ersatzteile
|
Privatsammler, A.S.
|
186
|
2-fach, Thielplatz, evtl. Nachkriegsbau
|
Privatsammler A.S.
|
428, ex 593, ex 17
|
4-fach Kottbusser Tor
|
www.b-v-s.berlin
|
1, ex 168
|
2-fach, Sophie-Charlotte-Platz, BVG Nachbau 60er Jahre
|
www.b-v-s.berlin
|
113, (unten: ex 147)
|
4-fach, ZWO, Krumme Lanke
|
Privatsammler A. Mauruszat
|
3, 6, 7, 10, 17, 33, 40, 43, 58, 62, 63, 67, 77, 81, 103, 115, 117, 118, 122, 130, 131,
141, 144, 162, 165, 173, 174, 192, 194, 352, 606
|
2-fach, verschiedene Bauarten, noch nicht dokumentiert
|
BVTG, Zum Verkauf vorbereitet, bei Interesse Kontakt über BVS
|
11 (unten: ex 11) 43
(unten: ex 71, 348) 76 (unten: ex 39, 508, 357) 128, (unten: ex
225) 335, (unten ex 104, 189, 254) 396 (unten: ex 392, 22, 159)
|
4-fach, verschiedene Bauarten, noch nicht dokumentiert
|
BVTG, Zum Verkauf vorbereitet, bei Interesse Kontakt über BVS
|
91, ex 337 (unten: 139)
|
4-fach, ZWO, ohne Druckplatte, Ersatzteilspender
|
Privatsammler A.S.
|
99 (oben), 324
(unten, ex 77)
|
4-fach, ZWO, Leopoldplatz, Stadtmitte, Hallesches Tor
|
Privatsammler M.M.
|
86, ex 603
|
2-fach, Zoologischer Garten, BVG Nachbau 60er Jahre
|
www.b-v-s.berlin
|
75, ex 307, ex 117 (oben)
77, ex 192 (unten)
|
4-fach, aus zwei Geräten nachträglich zusammengesetzt / rekonstruiert. oben Spittelmarkt, unten Borsigwerke
|
BVG Firmenarchiv
|
|
|
|
|
|
|
|
Die Gerätenummer (seitlich eingeschlagen) findet sich auf dem Klischee wieder und wird dem Fahrscheindruck unten rechts hinzugefügt.
Anhand des Aufdrucks lässt sich der Zeitraum der Ausserbetriebnahme erkennen. Oben die Abdrucke Ende der 60er Jahre, unten die Abdrucke
ab den 70er Jahren (Tarifwechsel 3/1976: Entfall der Wahl nach Umsteige- oder Einfachfahrschein)
Im Ostnetz wurden die Geber 1966
aus dem Verkaufsbetrieb genommen, da die Tarifänderung die Ausgabe von Einzelfahrscheinen zum
sofortigen Fahrtantritt in der Ausgabe ab einem personalbesetzten Schalter nicht mehr erforderte. Eine Ausnahme bildete die Verkaufseinrichtung im Bahnhof Friedrichstraße, da hier bis 1984 ausschließlich Fahrscheine zum Westtarif durch die BVG-Ost ausgegeben wurden.
Im Westnetz wurden die Geber zur Ausgabe von bis zu 4 verschiedenen
Fahrscheinsorten aufgrund der Tarifänderung im März 1976 nicht mehr angewendet. Es wurde mit dem Tarif 1976 kein Unterschied in der
Bepreisung Einfache Fahrt / Umsteiger Straßenbahn / Umsteiger Autobus gemacht. Fortan gab es nur noch zwei Fahrscheinsorten im Angebot: Der Umsteiger, gleich auf welches Verkehrsmittel und den
Ermäßigungsfahrschein. Jedoch schon im Herbst 1976 wurden die Geber wieder in den Verkaufsstellen der U-Bahn West wieder verwendet, jedoch
wurden nur noch zwei Fahrscheinsorten ausgegeben. Vermutlich zeigte sich der Abverkauf durch die Bahnhofsschaffner vom Block aufgrund der
unerwartet hohen Abgabezahlen nicht praktikabel, die Berliner verwehrten die neu eingerichtete Automatentechnik.
Mit der Tarifumstellung im Mai 1988
wurden diese Handkurbel-Automaten aus den späten 20er Jahren dann tatsächlich aus dem Verkaufsbereich entfernt. Der nun neue “Kurzstreckentarif” hätte eine Anpassung der
Automaten erfordert. Damit endet der einst als Provisorium angedachte Einsatz dieser Handkurbel-Automaten für die Bahnhofsschaffner im
Bereich der Berliner U-Bahn. Die letzten etwa 40 Geräte wurden eingelagert und erst im Jahre 2016 wieder gefunden und aus dem Lagerbestand
entfernt. Diese Geräte sind heute noch vorhanden und im letzten Zustand 1988 erhalten.
Die Fahrscheinart vom Fahrscheingeber war über 60 Jahre in den Händen
der U-Bahn-Fahrgäste. Keine Fahrscheinform wurde unverändert länger ausgegeben, kein Fahrscheindrucker wurde bei der Berliner U-Bahn
länger verwendetet. Zudem wurde dieser Geber ausschließlich bei Fahrtantritt mit der U-Bahn ausgegeben. Damit ist der Rollenfahrschein vom
Hänel&Schwarz-Geber ein ganz typischer Teil der Berliner U-Bahngeschichte.
Wir suchen noch Zeitzeugen, die mit diesen Geräten gearbeitet haben, sowie Sammler die diese Geräte ebenso vorhalten oder abgeben
möchten. Wir haben auch Interesse an Ersatzteilen (Klischees, Papierrollen, Rollenlager).
Auch Vereine und Museen beschäftigen sich mit dem Thema Fahrscheine und Fahrscheindrucker, siehe dazu “weiterführende Links”.
Quellen und weiterführende Links:
- Die Fahrt, BVG Mitarbeiterzeitung (Heft 10/1936), ab Seite 147
- Dokumentation der Fahrscheingeber für Sammler mit Merkmaltabelle zur Einordnung eines eigenen Gerätes: www.b-v-s.berlin/sec/Haenel-Geber.pdf
- Fahrkartenmuseum der Märkischen Kleinbahn in Berlin Schönow (Goerzbahn): www.mkb-berlin.de
- Deutsches Technikmuseum Berlin (DTMB) mit einer Fahrkartensammlung des Fernreiseverkehrs: www.sdtb.de
- Webseite zu historische Automatentechnik (allgemein): www.kahl-online.de
- Forum für Automatensammler (auch Fahrscheindrucker und Fahrscheinausgabegeräte): www.antik-automaten.de
- Umfangreiche Fahrscheinsammlung des städtischen Berliner Nahverkehrs im Berliner U-Bahnmuseum: www.ag-berliner-u-bahn.de
- Umfangreiche Automaten- und Fahrscheinsammlung aus dem Betrieb der Berliner S-Bahn: www.s-bahn-museum.de
Text und Zusammenstellung: Markus Jurziczek von Lisone (2/2015), ergänzt: 4/2016
|